Sonntag, 10. November 2013

Phase 3


Die Einsamkeit ist ein sonderbaren Wesen.
Lautlos kommt sie im Dunkeln angeschlichen,setzt sich ans Bett, streicht dir im Schlaf übers Haar. Umschlingt dich so fest, dass der Atem ins Stocken gerät, das Blut sich erhitzt und der Herzschlag zu rasen beginnt, während ihr Lippen die Härchen in deinem Nacken streifen. Sie hinterlässt Lügen in deinem Herzen, legt sich neben dich in der Nacht und verschlingt das Licht aus allen Ecken und Winkeln. Sie weicht nicht mehr von deiner Seite, und reicht dir nur die Hand um dich wieder nach unten zu zerren, wenn du dich gerade mühsam aufrappeln willst.
[…]
Und selbst wenn du dich beruhigst. Wenn du bereit bist zum Aufbruch. Wenn du bereit bist zum Neubeginn. Selbst dann steht die Einsamkeit wie ein alter Freund neben dir im Spiegel, starrt dich an, bezweifelt, dass du ohne sie leben kannst. Und du findest keine Worte, um dich zu wehren, um dich zu wehren gegen diese Worte – du bist nie gut genug nie gut genug nie gut genug.
Rette mich vor dir, Tahereh Mafi


Ich habe zwei angefangene Blogeinträge auf dem PC, einen über das Wochenende mit der Überraschungsparty für eine Freundin, von dem ich eigentlich unbedingt erzählen wollte, und einen darüber, wie sehr mich gerade alles hier nervt. Zwei weitere wollte ich noch schreiben, darüber, dass die Tage allein gar nicht so schlimm waren, wie ich erwartet hatte, und darüber, wie schön die Zeit mit meiner Familie war.

Stattdessen knalle ich euch dieses Zitat, das ich heute morgen gelesen habe, hin.

Weil gerade alles irgendwie schlimm ist. Ich hätte nie, nie gedacht, dass ich so sehr Heimweh haben würde.

Es ist wohl normal.

Auf dieser Seite (http://www.auslandserfahrungen.de/TipsundTricks/Heimweh.html) habe ich eine Einteilung von Heimweh in verschiedene Phasen gefunden. Ich stecke wohl gerade tief in Phase 3 drin. Ich will eigentlich nur nach Hause. (Und trotzdem, zum Beispiel gestern bei der Bonfire Party an meiner Schule, hat mich der Gedanke geschockt, dass ich das nächste Bonfire hier nicht miterleben werde. Es ist verrückt.)
Ich glaube nicht, dass ich ganz nach Hause möchte. So richtig. Für immer. Nein, auf keinen Fall.

Aber was soll ich denn machen wenn ich gerade bei jeder Erinnerung in Tränen ausbreche?

Alles hier hat den Glanz des Neuen verloren und ist nur trist und grau. Ich will nach Hause.
Genau noch 40 Tage habe ich, dann darf ich über Weihnachten zurück. Dieser Fakt hält mich gerade aufrecht. Und die Hoffnung, dass ich diese Phase irgendwann hinter mir lasse. Und – ganz wichtig – die wenigen Leute, von denen ich mir sicher bin, dass sie meine (guten) Freunde sind. An einem Teil meines Freundeskreises beginne ich ein bisschen zu zweifeln. Aber ich hoffe, mein Zitat hat Recht und es sind nur „ Lügen in deinem Herzen“.

Ich bin so froh, dass England nicht so schrecklich weit weg von zu Hause ist. 40. Der Countdown läuft.

Bitte, bitte drückt mir die Daumen, dass mir mein leben hier ohne den Glanz des Neuen und ohne den Schleier des Heimwehs immer noch gut gefällt. Vielleicht sogar wieder wunderbar, wenn das Heimweh einmal überwunden ist.

Aber wie kämpft man gegen die eigenen Tränen?